Ängstliche Hunde sind in der Welt der Vierbeiner eine besondere Herausforderung. Während es häufiger vorkommt, dass Hunde in bestimmten Situationen, wie zum Beispiel an Silvester oder beim Tierarzt, vorübergehend Ängste oder Unsicherheiten zeigen, unterscheiden sich Angsthunde deutlich von ihren Artgenossen. Diese Hunde leben in einem ständigen Zustand der Wachsamkeit, immer auf der Hut und neigen dazu, in jeder Ecke eine potenzielle Gefahr zu vermuten. Ihre Angst ist dauerhaft präsent und bleibt bestehen, selbst wenn keine konkrete Bedrohung sichtbar ist. Dieser Artikel widmet sich dem Verständnis und der Unterstützung ängstlicher Hunde, insbesondere jener, die aus dem Tierschutz kommen. Situative Angst kann bei diesen Hunden vermehrt auftreten, und es ist wichtig, Wege zu finden, um ihnen Sicherheit und Vertrauen in ihre Umgebung zu vermitteln.
Der ängstliche Hund: Ursachen und Lösungsansätze
Ich werde dir erklären, was möglicherweise die Ursache für die teilweise extreme Angst bei Hunden ist, wie du sie erkennen kannst, und welche Trainings- und Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Was versteht man unter Angst und wofür ist sie gut?
Angst ist eine grundsätzlich sinnvolle Reaktion des Körpers auf potenzielle Gefahrensituationen. Sie dient dazu, Lebewesen, einschließlich Hunden und Menschen, davor zu bewahren, sich in riskante Situationen zu begeben, und erfüllt somit eine wichtige Schutzfunktion. Das Gefühl der Angst signalisiert, dass Gefahr gegenwärtig ist oder auftreten könnte, und führt zu entsprechenden Verhaltensweisen wie Flucht, Erstarren, Kampf und mehr..
Unterschied zwischen Angst, Furcht und Unsicherheit
Es ist tatsächlich von Vorteil, klare Unterschiede zwischen Angst, Furcht und Unsicherheit zu verstehen, da dies dazu beitragen kann, das Verhalten eines Hundes besser zu interpretieren. In der Hundewelt werden diese Begriffe oft emotional diskutiert, weshalb es hilfreich ist, auf allgemeingültige Definitionen zurückzugreifen:
Angst:
Angst ist ein allgemeiner und abstrakter Begriff, der sich auf das unangenehme Gefühl bezieht, das ein Hund in bestimmten Situationen erlebt. Diese Situationen können vielfältig sein und reichen von lauten Geräuschen über fremde Menschen bis hin zu ungewohnten Umgebungen. Angst kann sich auf verschiedene Arten äußern, einschließlich zittern, zurückweichen oder Vermeidungsverhalten zeigen. Sie ist oft nicht spezifisch auf ein einzelnes Ereignis oder Objekt bezogen, sondern kann generalisiert werden.
Furcht:
Im Gegensatz zur Angst ist die Furcht spezifischer und bezieht sich auf das unmittelbare Unwohlsein oder die Besorgnis, die ein Hund empfindet, wenn er einer bestimmten Situation oder einem bestimmten Objekt gegenübersteht. Ein Beispiel für Furcht könnte ein Hund sein, der vor einem lauten Feuerwerksknall zusammenzuckt. In diesem Fall ist die Furcht auf das Geräusch des Knalls beschränkt.
Unsicherheit:
Unsicherheit bezieht sich auf das Fehlen von Vertrauen oder die Schwierigkeit eines Hundes, in einer gegebenen Situation angemessen zu reagieren. Ein unsicherer Hund kann zögerlich oder zurückhaltend sein und zeigt möglicherweise keine klare Verhaltensweise, um mit einer ungewohnten Situation umzugehen, sein Verhalten ist unsicher! Dies kann z.B. aus Mangel an Erfahrung oder mangelndem Selbstvertrauen resultieren.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese Begriffe oft ineinander übergehen können, und ein Hund kann gleichzeitig sowohl Angst als auch Furcht oder Unsicherheit zeigen. Du profitierst von einem besseren Verständnis dieser Unterscheidungen, denn so kannst du die spezifischen Emotionen deines Hundes besser erkennen und effektiver auf sein Verhalten reagieren und ihm helfen, besser mit belastenden Situationen umzugehen.
Um gezielte Ansätze zur Unterstützung deines Hundes zu entwickeln, sei es durch Training, soziale Exposition oder andere Maßnahmen kannst du mich gerne kontaktieren und wir vereinbaren eine Beratungsstunde!
Bei vielen sogenannten "Angsthunden" tritt nicht nur eine isolierte Furcht vor einem bestimmten Objekt oder Reiz auf, sondern es kommt zur Generalisierung der Angst. Das bedeutet, dass sich die Angst auf zahlreiche Situationen, Objekte, Menschen, Geräusche, Gerüche usw. ausdehnen kann. Nehmen wir an, ein Hund hat Angst vor lauten Knallgeräuschen und erlebt einen solchen Knall, während er Treppen steigt. Infolgedessen könnte er die beiden Ereignisse miteinander verknüpfen und nicht nur vor lauten Knallgeräuschen, sondern auch vor dem Treppensteigen Angst entwickeln. Dies wird oft als fehlgeleiteter Lernprozess oder generelle Fehlverknüpfung bezeichnet. Auf diese Weise breitet sich die Angst immer weiter aus und hat Auswirkungen auf den Alltag des Hundes und seines Halters.
Grundsätzlich kann ein Hund vor allem und jedem Angst haben, je nach den Erfahrungen, die er damit gemacht hat, oder auch schlicht aufgrund der fehlenden Erfahrung mit bestimmten Situationen oder Gegenständen.
Ursachen für übermäßige Angst bei Hunden
Es gibt diverse Gründe, warum Hunde zu ängstlichen Tieren werden oder zumindest in bestimmten Situationen, die für andere Hunde völlig unproblematisch sind, mit stark ausgeprägter Angst reagieren können. Hierzu gehören insbesondere folgende Faktoren:
- Mangelhafte oder fehlende Sozialisation im Welpenalter, wie beispielsweise ein fehlender Kontakt zu anderen Hunden und/oder Menschen, das Versäumen bestimmter Erfahrungen oder das Unbekanntsein mit spezifischen Situationen oder Gegenständen.
- Zu frühzeitige Trennung von der Mutter.
- Eine harte und grobe Erziehung, die Schimpfen, Anschreien oder sogar physische Gewalt einschließt.
- Negative Erfahrungen oder Traumata.
- Gesundheitliche Probleme, wie nachlassendes Seh- oder Hörvermögen oder hormonelle Störungen.
- 6. Schmerzen, beispielsweise im Bewegungsapparat.
- Erlerntes Verhalten von der Mutter.
- Genetische Faktoren.
- Dauerhafte Überforderung und anhaltender Stress.
- Unzureichende oder wenig anregende Lebensbedingungen.
Es ist wichtig zu beachten, dass oft mehrere dieser auslösenden Faktoren gemeinsam auftreten können. Besonders problematisch erweist sich die fehlende Sozialisationserfahrung in den ersten Monaten des Hundelebens. Wenn ein Welpe in dieser entscheidenden Phase keinen oder nur minimalen Kontakt zu anderen Hunden, Menschen und verschiedenen Situationen hat, kann sich das sogenannte Deprivationssyndrom entwickeln. Dies ist eine Entwicklungsstörung, die dazu führt, dass der Hund Schwierigkeiten hat, angemessen mit seiner Umwelt umzugehen. Angst ist oft ein Begleitsymptom dieses Syndroms. Alles, was der Hund in dieser Zeit nicht kennengelernt hat, wird zunächst mit Unsicherheit und Angst assoziiert. Das Deprivationssyndrom tritt besonders bei Hunden auf, die unter schlechten oder reizarmen Bedingungen gehalten werden, sowie bei Tierschutzhunden, die ihre ersten Lebensmonate oder -jahre in Zwingeranlagen, Tierheimen oder Tötungsstationen verbracht haben.
Insbesondere Tierschutzhunde können unter einem Deprivationssyndrom leiden, wenn sie die ersten Lebensmonate in einer reizarmen Umgebung verbracht haben.
In dem Artikel Hunde aus dem Tierschutz - alles was du wissen musst! kannst du mehr darüber erfahren.
Wie zeigt sich Angst bei Hunden?
Grundsätzlich ist Angst eine normale körperliche Reaktion, die einerseits zu bestimmten Verhaltensweisen, andererseits zu körperlichen Symptomen führt. Und Angst führt auch immer zu Stress. Ein ängstlicher Hund ist leicht zu erkennen, wenn man weiß, wie sie sich auf körperlicher Ebene bzw. im Verhalten niederschlägt.
Verhaltensbezogene Symptome bei Angst und Stress:
- Unruhe
- Exzessives Belecken oder Benagen von Körperpartien (Pfoten, Schwanzansatz etc.) bis hin zum Wundlecken
- Sog. Übersprunghandlungen wie „Rammeln“/Aufreiten, Sich-im-Kreis-Drehen
- Beschwichtigungssignale wie Gähnen
- Kleinmachen/Zurückweichen
- Vermehrte Aufnahme von Wasser und Nahrung (Polydipsie und Polyphagie)
- Vermehrte Harnausscheidung (Polyurie)
- Flucht oder Erstarren
- Panikattacken
- Apathisches Verhalten
- Aggression/Verteidigungsverhalten wie Knurren, Bellen, Schnappen, Beißen
Körperliche Symptome bei Angst und Stress:
- Ohren anlegen
- Schwanz einziehen
- Zittern
- Augen aufreißen/vergrößerte Pupillen
- Herzrasen/hoher Blutdruck
- Hecheln
- Erhöhung der Aufmerksamkeit
- Schwitzige Pfoten
- Haarverlust/Schuppenbildung
Diese Anzeichen können stark, aber auch schwach ausgeprägt sein und einzeln oder gemeinsam vorkommen. Während bei einigen Hunden sofort erkennbar ist, dass sie Angst haben, bemerkt es bei anderen nur der Besitzer, der seinen Liebling gut kennt und lesen kann. Bei richtigen „Angsthunden“ oder Vierbeinern mit Deprivationssyndrom ist die Angst nicht zu übersehen. Um den Vierbeiner nicht noch mehr zu ängstigen, sollte auf die eigene Körpersprache und -haltung geachtet werden. Sich über den Hund zu beugen wird ebenso als bedrohlich empfunden wie das direkte In-die-Augen-Schauen sowie schnelle oder hektische Bewegungen. Im Umgang mit ängstlichen Hunden ist es wichtig, selbst möglichst ruhig und gelassen zu bleiben.
Wie geht ein ängstlicher Hund damit um?
Einem Hund stehen verschiedene Verhaltensalternativen bzw. Bewältigungsstrategien zur Verfügung, wie mit der angstauslösenden Situation umzugehen ist.
Hier spricht man auch von den 4 Fs: Flight (Flucht), Freeze (Erstarren), Fight (Kampf) und Flirt/Fool around (Herumalbern): Je nach Situation wird sich der Vierbeiner für eine dieser Alternativen entscheiden. Ich veranschauliche das mal kurz an einem Beispiel:
Emma hat Angst vor Männern, die einen Mantel tragen. Beim täglichen Gassigehen kommt nun ein solcher auf sie zu und möchte Kontakt zu ihm aufnehmen. Emma stehen die folgenden Möglichkeiten zur Verfügung:
Flight (Flucht): Sie versucht, der angstauslösenden Situation durch Entziehen bzw. Fliehen zu entkommen. Ist es ihr möglich (wenn sie z. B. nicht angeleint ist), wird sie die Flucht ergreifen und das Weite suchen.
Freeze (Erstarren): Sie erstarrt regelrecht, legt sich vielleicht hin, bewegt sich kaum noch und nimmt eine steife Körperhaltung ein. Dieses Verhalten ist mit dem „Totstellen“ zu vergleichen, wie es beispielsweise Fluchttiere wie Kaninchen zeigen.
Fight (Kampf): Nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ geht Emma nach vorne. Vielleicht knurrt sie, schnappt, bellt oder zeigt anderweitig angstbedingtes aggressives Verhalten, um sich die Gefahr vom Leib zu halten.
Flirt/Fool around (Herumalbern): Emma zeigt typische Übersprungshandlungen, um sich selbst zu beruhigen und die Situation zu deeskalieren. Sie fängt zum Beispiel an, zu spielen.
Das vierte F (Flirt/Fiddel) wird im Zusammenhang mit der Emotion Angst eher wenig bis gar nicht gezeigt! Hier handelt es sich oft nur um situative Unsicherheit seitens des Hundes,
Welches Verhalten dein Hund zeigt, ist sehr individuell und hängt unter anderem von seinen situativen Möglichkeiten ab: Wenn ein Hund sich beispielsweise von einem Menschen bedroht fühlt, wird er womöglich zunächst versuchen, die Flucht zu ergreifen. Ist ihm das nicht möglich, weil er zum Beispiel angeleint ist, kann es sein, dass sein Verhalten in Erstarren (steife Körperhaltung) oder Aggression umschlägt. Er fühlt sich sprichwörtlich in die Ecke gedrängt und hat keine andere Chance, der bedrohlichen Situation zu entgehen. Geht der Mensch daraufhin weg, hat der Hund gelernt, dass diese Methode funktioniert. Er wird sie als geeignete Strategie verinnerlichen und nun auch in anderen angsteinflößenden Situationen zeigen. Dies macht deutlich, dass nicht nur der Auslöser, sondern auch das Verhalten des Besitzers einen entscheidenden Einfluss auf die Bewältigungsstrategie des Vierbeiners hat. Es liegt also in deiner Verantwortung, deinem Hund ein geeignetes Alternativverhalten beizubringen, zum Beispiel, sich bei Angst hinter dich zu stellen. Um dies zu erreichen, ist jedoch je nach Ausprägung der Angst ein langwieriges Training erforderlich.
Du hast einen ängstlichen Hund – was du jetzt tun kannst!
Wenn du feststellst, dass dein geliebter Vierbeiner ungewöhnlich ängstlich ist, ist der erste Schritt, ihn von einem Tierarzt gründlich untersuchen zu lassen. So können wir sicherstellen, dass körperliche Ursachen wie Krankheiten oder Schmerzen ausgeschlossen werden. Bestimmte organische Probleme wie IBD oder Cushing sowie Schmerzen im Bewegungsapparat können zu gesteigerter Ängstlichkeit, Nervosität oder sogar Aggression führen.
Nachdem körperliche Ursachen ausgeschlossen wurden, ist es ratsam, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Die Herangehensweisen und Möglichkeiten, mit ängstlichen Hunden zu arbeiten, sind vielfältig. Doch es gibt auch Fallstricke, die vermieden werden müssen. Es wäre nicht sinnvoll, einen generellen Trainingsplan oder bestimmte Methoden für "Angsthunde" zu empfehlen, da diese individuell auf das Verhalten deines Hundes abgestimmt werden sollten. Genau wie jeder Hund und seine Ängste einzigartig sind, müssen auch die Trainingsansätze individuell angepasst werden. Während bei Hund A positive Verstärkung möglicherweise erfolgreich ist, könnte dies bei Hund B bestenfalls ineffektiv und schlimmstenfalls kontraproduktiv sein. Das Heranführen an angstauslösende Situationen erfordert Feingefühl, präzises Timing, eine objektive Perspektive und umfassendes Wissen über das Verhalten von Hunden, um deinem ängstlichen Hund zu helfen. Daher führt in den meisten Fällen kein Weg an professioneller Begleitung vorbei.
Ja, professionelle Unterstützung kostet Geld. Ja, es erfordert Engagement. Aber mit meiner Erfahrung und Unterstützung werden wir das gemeinsam bewältigen!
Du hast einen Tierschutzhund und fühlst dich manchmal überfordert oder unsicher im Umgang mit seinem Verhalten?
Dann hilft dir dieser 2 Tages Workshop!
Mein zweitägiger Intensiv-Workshop " Verhalten verstehen und Vertrauen aufbauen" ist speziell darauf ausgerichtet, dich dabei zu unterstützen, eine bessere Beziehung zu deinem Tierschutzhund aufzubauen und individuelle Lösungswege für deine Probleme zu finden.
Ich werde deinen Hund und dich genau beobachten und individuell angepasste Trainingsmethoden vorschlagen. Dabei geht es vor allem um den Angstauslöser, auf den nun ein spezielles Übungsprogramm zugeschnitten wird. So kann zum Beispiel eine Desensibilisierung entstehen.
Eine enge Betreuung ist entscheidend, um eine Verschlechterung der Situation zu vermeiden. Auf eigenständige, direkte Konfrontation mit den Ängsten deines Hundes solltest du unbedingt verzichten.
Da die Trainingsmethoden individuell auf deinen Hund abgestimmt werden müssen, konzentrieren wir uns im Folgenden auf begleitende Maßnahmen und allgemeine Tipps für das Verhalten mit ängstlichen Hunden. Wenn du dir unsicher bist oder weitere Fragen hast, stehe ich gerne zur Verfügung und freue mich auf deine Kontaktaufnahme. Lass uns gemeinsam die bestmögliche Lösung für deinen Hund finden.
Schimpfen und Bestrafen sind tabu
Generell lernen Hunde über positive Verstärkung besser als über negative Konsequenzen. Positive Verstärkung meint, dass gewünschte Verhaltensweisen belohnt werden. Bleibt dein Vierbeiner also in einer bestimmten Situation ruhig, belohne ihn mit Leckerli oder einer Streicheleinheit. Schimpfe oder bestrafe ihn niemals, wenn er Angst hat, damit machst du alles nur noch schlimmer und du wirst genau das Gegenteil von dem erreichen, was du möchtest. Die Angst wird sich vergrößern und in der Folge womöglich sogar auf dich übertragen.
Daher gilt: Schimpfen und Bestrafen sind tabu!
Wenn Dein Hund Angst hat, ist es entscheidend, selbst ruhig zu bleiben und souverän, aber ohne Härte die Führung zu übernehmen.
Vertrauen schaffen und Bindung stärken
Die wichtigste Voraussetzung, um mit Angsthunden sinnvoll (und überhaupt) trainieren zu können, ist, dass dein Hund Vertrauen zu dir hat. Er muss lernen, dass du den Alltag im Griff hast und souverän die Führung übernehmen kannst. Hierzu ist es erforderlich, dass du deinem Vierbeiner Sicherheit vermittelst. Dies gelingt am besten mit einer liebevollen, aber konsequenten Erziehung. „Konsequenz“ ist in keinem Fall mit Härte oder Druck gleichzusetzen. Wie geschrieben, gilt es, Schimpfen und Bestrafen unbedingt zu vermeiden. Versuche, auch abseits eurer Trainingseinheiten die Bindung zu stärken, zum Beispiel durch ausgiebige Kuscheleinheiten (sofern dein Hund dies möchte) und gemeinsame Aktivitäten, die eine enge Zusammenarbeit erfordern, beispielsweise Fährtensuche oder Dummy-Training. Ziel ist es, dass du und dein Hund ein eingespieltes Team werden. Dein Hund muss lernen, dass er dir und deinem Urteil zu 100 % vertrauen kann. Aus diesem Grund solltest du ihn auch nicht ignorieren, wenn er Angst hat. Die Behauptung, ein Hund dürfe dann nicht beachtet werden, da sich dadurch die Angst verstärkt, ist längst widerlegt. Ruhiges Zureden und Streicheln sind durchaus erlaubt und sogar förderlich! Dadurch wird das Bindungshormon Oxycotin ausgeschüttet, das zu einer Entspannung beim Hund beitragen kann. Wie würdest du dich fühlen, wenn Du von deinen geliebten Menschen ignoriert wirst, wenn du Angst hast? Würde sich dadurch die Angst legen? Sicher nicht. Ebenso wenig förderlich ist es jedoch, wenn du nun selbst in Panik verfällst oder deinen Hund übermäßig betüddelst. Rede ihm stattdessen gut zu und biete ihm geeignete Bewältigungsstrategien an, beispielsweise hinter dir Schutz zu suchen, indem du dich zwischen deinen Hund und das angstauslösende Objekt stellst.
Gemeinsame Aktivitäten stärken die Bindung, die wiederum die wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Training mit Angsthunden ist.
Ein geregelter, gleichbleibender Tagesablauf mit festen Ritualen trägt ebenfalls dazu bei, deinem Hund Sicherheit zu vermitteln. Dazu gehören ähnliche Uhrzeiten für Gassirunden, Fütterung und gemeinsame Aktivitäten. Bei sehr ängstlichen Hunden kann es sinnvoll sein, sie zu Beginn aus der Hand zu füttern, um auf schnellem Wege Vertrauen aufzubauen.
Überforderung vermeiden und Grenzen erkennen
Überfordere deinen Hund nicht! Angst geht immer mit erheblichem Stress einher und kann die psychische und physische Gesundheit nachhaltig schädigen. Andererseits führt natürlich kein Weg daran vorbei, sich den Auslösern sukzessiv anzunähern – sofern sie nicht gänzlich zu vermeiden sind –, sodass dein Hund geeignete Bewältigungsstrategien erlernen kann. Hier das richtige Mittelmaß zu finden, kann zur Gratwanderung werden. Gehe lieber in kleinen Schritten vor, als deinem Hund zu viel auf einmal zuzumuten. Vermeide es, deinen Liebling mit zu langen und/oder zu vielen Trainingseinheiten zu überfordern, und hole dir, wenn möglich professionelle Hilfe, um seine Belastungsgrenzen zu erkennen. Eine direkte Konfrontation mit dem Angstauslöser solltest du in jedem Fall vermeiden. Den Hund direkt unbedacht in die Gefahrenzone zu führen, hätte lediglich zur Folge, dass er an deinen Kompetenzen zweifelt und eure Bindung leidet. Die Variante, dem Hund durch direkte Konfrontation zeigen zu wollen, dass nichts Schlimmes passiert, ist nicht erfolgversprechend, sondern führt im Zweifelsfall zu einer weiteren Traumatisierung. Eine Heranführung an das angstauslösende Objekt muss immer kleinschrittig und mit einem hohen Maß an Empathie und Hundeverstand erfolgen.
Daneben ist es von großer Wichtigkeit, deinem sensiblem Vierbeiner ausreichend Entspannung zu ermöglichen. Er muss regenerieren, schlafen und Kraft tanken, um das Erlebte zu verarbeiten. Ein geschützter Rückzugsort zu Hause ist für alle Hunde wichtig, für Angsthunde jedoch umso mehr. Dieser sollte unbedingt in eurer Nähe sein, auch nachts, denn Einsamkeit und das Gefühl, alleine zu sein, können die Angst verstärken. Um Stress abzubauen, eignen sich auch Kauartikel, mit denen der Hund eine Weile beschäftigt ist.
Angsthunde müssen unbedingt ausreichend entspannen, um die vielen Eindrücke, die auf sie einprasseln, zu verarbeiten!
In diesem Zusammenhang sollte auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass Mitleid oftmals ein schlechter Ratgeber bei der Hundewahl ist. Die Vorstellung, einen armen Hund zu „retten“ und ihm ein neues, glückliches Leben zu bieten, scheitert oftmals an der Realität, denn tiefe Traumatisierungen sind durch Liebe allein nicht zu kitten. Angsthunden ist am besten geholfen, wenn sie in ein Umfeld kommen, das zu ihnen passt. Ein Hund, der panisch auf Autos und Menschen reagiert, wird in einer Großstadt vermutlich niemals angstfrei leben können.
Wichtig: Tierliebe bedeutet auch, auf die eigenen Wünsche im Sinne des Tieres verzichten zu können.
Bevor du also einem Hund ein neues Zuhause gibst, solltest du dir absolut sicher sein, dass er zu dir und deinem Alltag passt und du den auf dich zukommenden Anforderungen, die enorm sein können, gewachsen bist. Eine seriöse Tierschutzorganisation wird dich zu genau diesen Fragen umfassend beraten!
Schau gerne auch mal in meinen Artikel "Hunde aus dem Tierschutz" - dort erfährst du noch mehr über das Thema Hund & Tierschutz und was es da zu beachten gibt.
Selbstvertrauen stärken und Spaß haben
Positive Erfahrungen stärken das Selbstvertrauen! Versuche daher, deinen Liebling in möglichst viele Situationen zu bringen, in denen er keine Angst verspürt und positive Erfahrungen macht. Finde heraus, was ihm Spaß bereitet oder was er besonders gut kann. Dies kann zum Beispiel eine Hundesportart wie Fährtensuche sein oder einfach das gemeinsame Spazierengehen mit kleinen Übungen in reizarmen Umgebungen. Bedenke: Die Angst ist nur eine Facette deines Lieblings. Versuche, auch seine anderen Eigenschaften und seine Stärken wahrzunehmen und zu fördern. Ebenso wie wir Menschen gewinnen auch Hunde an Selbstwirksamkeit und Selbstsicherheit, wenn ihnen etwas gut gelingt. Nasenarbeit ist hierfür besonders gut geeignet und kann auch in der Wohnung durchgeführt werden. Geeignet dafür sind u. a. Intelligenzspielzeuge.
Ganz wichtig ist, dass es dem Hund zu jeder Zeit Spaß macht. Er muss keine bestimmten Ziele erreichen und darf schon gar keinen Druck verspüren, sondern soll Neugierde und Mut entwickeln und Freude an gemeinsamer Beschäftigung erlangen.
Nasenarbeit ist perfekt geeignet, um Anspannung abzubauen und das Selbstvertrauen zu stärken!
Sicherheit geht vor
Angsthunde sind in vielen Situationen leider unberechenbar. Daher solltest du einen besonderen Fokus auf Sicherheit legen – dies gilt sowohl für dich und deinen Vierbeiner als auch für andere Hunde, Menschen oder Tiere. Sofern dein Hund mit aggressivem Verhalten auf andere Hunde und/oder Menschen reagiert, ist ein Maulkorb unabdingbar. Das Tragen eines Maulkorbs sollte kleinschrittig geübt werden. Zudem ist es von zentraler Bedeutung, dass der Maulkorb gut passt und nirgendwo drückt oder scheuert. So schützt du nicht nur andere Hunde/Menschen, sondern gewinnst auch selbst mehr Sicherheit, weil du weißt, dass im Zweifelsfall nichts Schlimmeres passieren kann. Und diese Sicherheit überträgt sich auch auf Deinen Hund!
Ich berate dich gerne bei der Wahl eines passenden Maulkorbs. Eine gute Auswahl findest du zum Beispiel im Online-Shop von Rootdogs oder bei Chick&Scharf.
Zur Grundausstattung von Angsthunden sollte außerdem ein Panikgeschirr gehören, aus dem er sich nicht befreien kann. Eine lange Schleppleine sorgt für ausreichend Bewegungsradius. Es ist unbedingt davon abzuraten, Angsthunde ohne Leine frei laufen zu lassen, da sie womöglich panikartig flüchten und dadurch sich selbst und andere gefährden, indem sie zum Beispiel auf eine Straße rennen. Nur Hunde, die sicher abrufbar sind, dürfen ohne Leine laufen! Dies ist bei Angsthunden jedoch nicht der Fall.
Auf dem folgenden Bild siehst du, wie ein gut sitzendes Sicherheitsgeschirr aussehen kann.
Wichtig ist, dass der hintere Riemen hinter den Rippen sitzt!
Sei geduldig und nachsichtig!
Training mit Angsthunden ist langwierig und anstrengend. Dein kleines Sensibelchen benötigt unbedingt deine liebevolle und geduldige Unterstützung. Mache dir jedes Mal, wenn du dich über das Verhalten deines Hundes zu ärgern drohst, bewusst, dass er am meisten darunter leidet und nicht die Absicht verfolgt, dir das Leben schwer zu machen. Er kann nichts dafür! Die einzige Chance, seine Angst loszuwerden, bist du! Es sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass eine komplette „Genesung“ von der Angst in vielen Fällen nicht möglich ist, insbesondere nicht bei Hunden mit Deprivationssyndrom. Zu tief sitzen Traumatisierungen und schlechte Erfahrungen. In vielen Fällen ist jedoch eine Besserung zu erreichen.
Dein Hund braucht Deinen Schutz.
Wenn er zum Beispiel Angst vor Menschen hat, achte darauf, dass er nicht bedrängt wird.
Medikamentöse Unterstützung
Für Hunde gibt es eine Reihe von Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln, die bei Ängsten eingesetzt werden können, angefangen bei Zylkene über Tryptophan bis hin zu Pheromon-Produkten oder Bachblüten. Während richtige (Beruhigungs-)Medikamente nur in Absprache bzw. auf Anraten deines Tierarztes und des Hundetrainers gegeben werden sollten, kann durchaus versucht werden, mit Nahrungsergänzungsmitteln eine Verbesserung der Situation zu erzielen. Es versteht sich von selbst, dass Hunden niemals für den Menschen gedachte Beruhigungsmittel verabreicht werden dürfen. Diese können bereits in geringen Dosen zum Tod führen.
Wenn du dir unsicher bist oder weitere Fragen hast, stehe ich gerne zur Verfügung und freue mich auf deine Kontaktaufnahme. Lass uns gemeinsam die bestmögliche Lösung für deinen Hund finden.