Immer mehr Menschen entscheiden sich dafür, einem Hund aus dem Tierschutz eine neue Chance auf ein besseres Leben zu geben. Und das aus gutem Grund: Die Tierheime und Vermittlungsorganisationen sind voller Tiere, die auf ein liebevolles Zuhause warten. Dabei können wir nicht nur einem Hund das Leben retten, sondern auch eine moralisch vertretbare Entscheidung treffen. Im Vergleich zum Kauf beim Züchter wird die Adoption aus dem Tierschutz zunehmend als ethisch verantwortlicher angesehen. Dank Social Media und anderen Kanälen können wir die Situation der Tiere hautnah miterleben und erfahren, wie wichtig unsere aller Hilfe ist. In diesem Artikel möchte ich dir alles Wichtige rund um die Adoption von Hunden aus dem Tierschutz erklären.
Hunde aus dem Tierschutz - was dafür spricht und was du beachten solltest:
Das "Angebot" ist oft riesig und reicht vom Welpen oder Junghunde bis zum Senior. Ein bereits erwachsener Hund ist gerade für Hundeneulinge die geringere Herausforderung, als in den sensiblen Entwicklungsphasen eines Welpen und heranwachsenden Hundes die richtigen Maßnahmen und Entscheidungen zu treffen. Zumindest denken das die meisten. Denn auch wenn erwachsene Hunde oft über ein enormes Potenzial an Anpassungsfähigkeit verfügen, gibt es einige wichtige Dinge, die bei Auswahl und Eingewöhnung eines Tierschutzhundes zu beachten sind.
Jeder Hund aus dem Tierschutz ist ein Individuum
Jeder Hund ist ein einzigartiges Individuum und verhält sich abhängig von bisherigen Erlebnissen und Erfahrungen. Dazu kommt noch die Genetik. Ähnlichkeiten im äußeren Erscheinungsbild geben meist keinen sicheren Aufschluss darüber, wie sich ein Hund verhält oder verhalten wird. Das Foto eines Hundes, der dem entzückend braven Hund aus der Nachbarschaft ähnelt, sagt in Wirklichkeit nichts über das Verhalten des Hundes aus. Gerade bei Hunden aus dem Ausland spielt die Herkunft eine wichtige Rolle. Welche Rassen sind zum Beispiel typisch für eine bestimmte Region?
Auch wenn es sich meist um Mischlinge handelt, so sind oft rassetypische Verhaltensweisen erkennbar.
Hundehaltung im Ausland
Im Ausland ist die Hundehaltung oft noch eine andere als wir es von zuhause aus kennen. Die Hunde werden dort oft noch gebraucht, sei es als Wach- und Schutzhund, als Hunde die auf Herden aufpassen oder auch als Jagdhunde im Einsatz sind. Auch Familienhunde haben im Ausland oft einen anderen Stellenwert und ein anderes Leben als wir es von hier kennen. Sie leben oft draußen im Garten oder im Hof, auch Zwingerhaltung kommt im Ausland noch oft vor.
Wenn man sich an ein Tierheim oder eine Vermittlungsorganisation wendet, sollte es möglich sein, den Hund persönlich kennen zu lernen. Wenn der Hund im Tierheim lebt, ist das meist kein Problem.
Im Falle von Tierschutzvereinen und Vermittlungsorganisationen sind Pflegestellen gefragt. Ich empfehle dir da großen Wert drauf zu legen.
Nur bei bereits erfahrenen Interessente ist es ratsam, Hunde direkt von einem Auffanglager bzw. einer Tötungsstation zu übernehmen.
Denn dort konnten sie unser Leben, mit und um Menschen, sowie Umweltreize wie Innenräume, Küchenlärm, Straßen, Autos, Spazierengehen, Begegnungen mit fremden Hunden, etc… nicht kennenlernen.
Oder die Lebenssituation ist so ländlich, dass Situationen, die den Hund überfordern, - zumindest anfangs - leicht vermieden werden können.
Vermittlung eines Hundes aus dem Tierheim oder von einer Vermittlungsorganisation
Diese 4 Fragen, sollten beantwortet werden:
- Was ist bekannt von der Vorgeschichte des Hundes?
- Wie lebt der Hund derzeit?
- Was kann/kennt der Hund gut?
- Was kann/kennt der Hund weniger gut?
Idealerweise geht aus der Beantwortung dieser Fragen hervor:
Dass der Hund in die jeweilige Lebenssituation des/der Interessenten/In gut passt.
Aber auch, wenn der eine oder andere Faktor unbekannt ist, stellt das die Adoption nicht unbedingt in Frage.
Wenn beispielsweise der Hund wegen einer Krankheit seiner früheren Besitzer im Tierheim abgegeben wurde, davor in einem kleinen Dorf lebte und mit Menschen gute Erfahrungen machen durfte, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass er sich an das Leben in einer Siedlung am Rande einer größeren Stadt gut anpassen kann.
Ganz Grundlegendes wie das enge Zusammenleben in einer Wohnung mit seinen neuen Menschen stellt keine besondere Herausforderung dar, mit den vermehrten Umweltreizen, häufigeren Hundebegegnungen etc. kann der Hund mit guter Unterstützung seiner Menschen lernen, umzugehen.
Eine zentrale Frage ist:
Was hat der Hund bisher kennen gelernt?
Qualifizierte Tierheime oder Vermittlungsorganisationen sollten ausgebildete MitarbeiterInnen im Bereich Bedürfnisse, (Ausdrucks-)Verhalten und
Training von Hunden haben, um eine Einschätzung abgeben können,
ob der konkrete Hund lernen könnte, mit der neuen Lebenssituation seiner zukünftigen Menschen gut klar zu kommen.
Stellt sich bei der Beantwortung der Fragen heraus, dass der Hund bisher sehr wenig „normale“ Umweltreize und Situationen kennen gelernt hat, weil er in einer Tötungsstation gelebt hat, so liegt die Einschätzung an der vermittelnden Pflegestelle, wie gut sich der Hund eingelebt und angepasst hat – mit entsprechender tierschutzkonformer Trainingsunterstützung.
Wenn er sich in der Wohnung am Stadtrand der Pflegestelle einige Wochen gut eingelebt hat, schon Fertigkeiten des Alltags erlernt – keine Angst vorm Staubsauger, Begegnungen mit Hunden beim Spaziergang - und auch bereits Vertrauen in Menschen erlangt hat, steht einem Umzug ins Traumzuhause der neuen Besitzer nichts im Weg, solange sie nicht im 10. Stock eines Hochhauses in einer Großstadt wohnen.
Wenn die Chemie beim Kennenlernen und bei Probebesuchen stimmt, können die Vorbereitungen zur Übernahme getroffen werden. Bevor wir uns aber mit den wichtigen ersten Maßnahmen nach der Übernahme beschäftigen, noch die wichtigsten Punkte, bei denen Vorsicht geboten ist und man von einer Übernahme absehen sollte.
Das musst du bei der Übernahme eines Hundes aus dem Tierschutz beachten
Von einer Übernahme solltest du absehen bzw. wann Vorsicht geboten ist:
- Es liegen keine bzw. kaum Informationen über Hund vor
- Ein persönliches Kennenlernen des Hundes ist nicht möglich
- Die Vermittlung erfolgt aufgrund eines mitleidsheischendem Fotos (völlig verängstigter Hund in Ecke gekauert)
- Eine Zustellung direkt ins Zuhause ohne Interesse an Lebenssituation der neuen Besitzer und ohne ein vorheriges Kennenlernen
- Eine Übergabe auf einer Autobahnraststation
- Es gibt keine Kontaktperson, die bei Fragen und Problemen helfend zur Seite steht
Einen Hund aufzunehmen, ohne diese Punkte zu beachten, erfordert mit großer Wahrscheinlichkeit viel Erfahrung im Umgang und Training mit Hunden. Die Erwartung, dass der Hund vom Foto, der sich mit weit aufgerissenen Augen im Eck eines Zwingers verkriecht, sich zu einem kinderliebenden Familienhund in einem hektischen Haushalt entwickelt, geht mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in Erfüllung.
Eine Vermittlung darf kein Lotteriespiel sein:
Tiervermittlung darf nicht zum Lotteriespiel ausarten, wo darauf gesetzt wird, dass es vielleicht schon irgendwie funktioniert wird. Das hat mit Respekt und Verantwortung dem Lebewesen Hund und Mensch gegenüber wenig zu tun. Es kann also ein größerer Beitrag zum Tierschutz sein, Nein zu sagen, als unseriöse Organisationen zu unterstützen, die mit Mit- und Tierleid Geld machen.
Denn auf diese Art führt niemand ein lebenswertes Leben und weder Mensch noch Hund sind am Ende glücklich. Leben retten alleine genügt nicht – es muss auch lebenswert sein - für alle Beteiligten.
Dein neuer Tierschutzhund zieht ein – was zu beachten ist:
Ähnlich uns Menschen können auch die Bedürfnisse von Hunden anhand der Bedürfnispyramide von Maslow erklärt werden.
- Grundbedürfnisse: Essen, Trinken, Ruhezeiten, Schlafen, Bewegung, geistige Anregung, …
- Sicherheitsbedürfnisse: Erwartungssicherheit, Kontrolle, körperliche Sicherheit und Unversehrtheit, Angstfreiheit, ungestörter Ruheplatz, verlässliche Bezugspersonen, Routinen, Regeln, …
- Soziale Bedürfnisse: Familienanschluss, positiver Sozialkontakt zu Mensch, Hund und anderen Tieren, Körperkontakt, ...
- Individualbedürfnisse: Anerkennung, Wertschätzung, Respekt, Lob, Erfolgserlebnisse, gemeinsame Unternehmungen, Recht auf faires Training und tierschutzkonformen Umgang, …
- Selbstverwirklichung: Individualität, Aufgaben, Freiraum für eigene Bedürfnisse und Erfahrungen, Hund sein dürfen, …
Wenn ein Hund in ein neues Zuhause einzieht, müssen zuerst die Grundbedürfnisse erfüllt werden, bevor an beispielsweise Trick-Training zu denken ist. Vor allem viel Ruhe und ausreichend Schlaf (15-18 Stunden pro Tag) müssen hier ermöglicht werden.
Das bedeutet, dass die ersten Wochen kein straffes Kennenlernprogramm abgespult werden sollte.
Lass dir Zeit!
Familie und Freunde können auch nach der Ein- und Umgewöhnungszeit eingeladen werden, der Hund braucht jedenfalls in erster Linie Zeit und Ruhe, um anzukommen.
Eine gewisse Erwartungssicherheit hilft dem Hund, sich schneller einzuleben: Routinen (Spaziergang, danach Fütterung und Ruhephase, …) und einfache Hausregeln (z.B. Couch erlaubt oder nicht) sollten von Anfang an eingeführt werden, sowie auch ein Platz, der nur dem Hund „gehört“ und wo er in Ruhe gelassen wird. Das gibt dem neuen Hund eine Struktur an der er sich orientieren kann und das macht es ihm leichter sich in seinem neuen Zuhause einzuleben.
Bei Hunden, die unsicher und ängstlich sind, ist für Spaziergänge ein Sicherheitsgeschirr anzuraten, bei Hunden die zu Panikverhalten neigen zusätzlich ein Halsband mit zweiter Leine, um ein Weglaufen sicher zu verhindern. Spaziergänge sollten anfangs auch entlang derselben Wege führen, damit der Hund die Möglichkeit hat, sich zu orientieren und zurecht zu finden.
Mitbewohner (menschliche als auch tierliche) sollten in den ersten Tagen noch zurückhaltend sein und den Neuankömmling selbst über eine Annäherung entscheiden lassen.
So wird Überforderung vermieden und der Hund hat Kontrolle über seine Situation. Zeigt sich der Hund aufgeschlossen und nimmt Kontakt auf, traut sich zum ersten Mal die Treppe in den ersten Stock hinauf oder reagiert beim Herannahen eines lauten Motorrads nicht mit Fluchtversuch sondern mit hilfesuchender Kontaktaufnahme, so sollte mit Lob und Anerkennung nicht gespart werden.
So gibst du deinem Hund Sicherheit, das Gefühl der Anerkennung und dass er Schwierigkeiten bewältigen kann – mit deiner Unterstützung.
Während dieser ersten wichtigen Wochen bis wenigen Monate der Eingewöhnung kann Schritt für Schritt Neues kennengelernt werden:
Hündische und menschliche FreundInnen, neue Spaziergehwege, Ausflüge, positiver Tierarztbesuch, etc. So steht einem guten und wahren Hundeleben nichts mehr im Wege.